Es ist nicht das Ziel dieses Blogs das Geschehen rund um die Schweizer Grossbanken und SNB zu kommentieren und die politische Wertung überlasse ich sowieso anderen. Ich fand es letzte Woche leider notwendig, zu der Funktion der SNB als Lender of Last Resort Stellung zu nehmen, da viel Falsches darüber geschrieben wurde. In den letzten Tagen wurden weiterhin viel  Unwissen über die Banken und das Finanzsystem zur Schau getragen, aber es gab zum Glück einige Ausnahmen.

Leider müssen wir nun ganz klar von einer Rettungsaktion reden, da nun substantielle Risiken für die Schweizer Steuerzahler entstanden sind. Unklar ist, ob sich diese Risiken materialisieren werden. Ich möchte hier aus der Perspektive des erfolgreich abgewickelten SNB-Stabilisierungsfonds einige Punkte aufnehmen, die hoffentlich nicht bereits von anderen diskutiert wurden.

Viel klarer umrissene Ausgangslage in 2008 als heute

Wir unterscheiden zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Ausgangslagen. 2008 war die Situation klar umrissen. Verluste auf den Immobilienkreditexposures führten in den Quartalen vor „Lehman Brothers“ für die UBS zu Abschreibungen und Wertberichtungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers war nicht klar, ob weitere Verluste entstehen würden, die die Eigenkapitaldecke schmelzen liessen. Mit der Auslagerung von 40 Mrd USD an hauptsächlich verbrieften Kreditforderungen an den Stabilisierungsfonds und der Rekapitalisierung der UBS durch den Bund über eine Zwangswandelanleihe, konnte der Kern der Probleme klinisch von der UBS Bilanz entfernt werden. Für die Öffentlichkeit herrschte Transparenz, Bund und SNB hatten klar quantifizierbare Risiken. Die politischen Reaktionen waren aber damals auch bereits sehr negativ. Die haben sich dann gelegt, als wir einen hohen Gewinn von 4 Mrd. mit dem Stabilisierungsfonds erwirtschaften konnten.

Aktuell ist die Situation für mich immer noch schwierig fassbar. Die Liquiditätssituation der Credit Suisse schien vor ein paar Wochen noch gut und die Kapitalausstattung komfortabel. CS war in den letzten Wochen nicht durch Verluste bedroht, sondern die Bank zehrte nach „Greensill“, Archegos und aufgrund eines wenig inspirierenden Senior Management und VR am Vertrauenskapital. Als sich die Situation in den USA rund um die Regionalbanken verschlechterte, wurde sie von vielen als „next shoe to drop“ identifiziert. Dies hat wohl einen verstärkten Bank-Run ausgelöst.

Ohne ein Handeln am Weekend hätte sich die Situation wohl am Montag massiv verschlechtert, da viele Banken im Ausland die Geschäftsbeziehungen gestoppt hätten. Der Druck aus dem Ausland auf die Schweiz war wohl enorm. Alle waren nervös und wollten eine Lösung. Die Situation präsentierte sich in Oktober 2008 anders. Damals waren insbesondere in UK und USA grosse Probleme zu beobachten. Diesmal war aber leider insbesondere eine Schweizer Bank im Fokus der internationalen Nervosität.

Aktuelle Vertrauenskrise war nicht über Kapital oder Liquidität zu lösen

Da Vertrauen in das Management und Kultur einer Bank das Problem waren, hätten höhere Liquiditätslinien oder eine Rekapitalisierung der Bank wohl nicht geholfen. Es hat einen Schnitt gebraucht. Mit dem Zwangsverkauf zu der UBS wurde halt die einfachste Option gewählt. Die andere Option wäre eine temporäre Verstaatlichung gewesen, oder das TBTF-Prozess laufen zu lassen. In diesem Fall hätte man ähnlich wie beim Stabilisierungsfonds ein dem Bund und der SNB loyales Management einsetzen müssen, der im Sinne der Steuerzahler handelt und so die Risiken für die SNB oder die Schweizer Eidgenossenschaft minimiert. Ziel wäre gewesen Teile der CS auf verschiedene Player in der Schweiz zu verkaufen und aus der Sicht des Schweizer Finanzsystems und Wettbewerbsgedankens eine bestmögliche Lösung zu suchen.

Der StabFund wurde so konzipiert, dass der Träger des Risikos auch die Entscheidungen über Management-Entscheidungen haben sollte. Das war genau das, was wir damals beim Stabilisierungsfonds gemacht haben. Wir haben in den 6.5 Jahren jeden Asset-Management Entscheid unter der Motivation gefällt, die Risiken für die Schweizer Steuerzahler und für die SNB als Kreditgeber zu minimieren. Wir haben damals Tag und Nacht immer daran gearbeitet, dass die Abwicklung ein Erfolg für die Schweiz wird. Die Frage ist, ob auch die UBS nun im Interesse der Schweizer Steuerzahler handeln wird.

Elemente der Kontrolle und Upside für die Schweizer Steuerzahler scheinen zu fehlen

Neben den 4x-5x höheren Risiken für den Schweizer Steuerzahler aktuell, sind zwei Elemente – falls ich alles richtig verstanden habe – anders als in 2008. Aktuell hat man sich damit begnügt, das Problem und deren Abwicklung der UBS zu übertragen, anstatt selber die Kontrolle über die Handlungen zu haben, die auf die Risiken der SNB als Kreditgeber oder den Garantien des Bundes auswirken. Die Überlegung ist wohl, dass durch den attraktiven Übernahmepreis der UBS, wohl keine Verluste auf dem Risiko materialisieren. Aber es ist generell ein grundlegend andere Philosophie als noch in 2008 und eine Subventionierung von zukünftigen UBS Gewinnen.

Ich fand 2008 auch die vielen Absicherung der SNB in der Strukturierung des Deals sehr gut. Falls Verluste damals am übernommenen Portfolio entstanden wären, erhielt damals die SNB Call-Optionen an den UBS Aktien. Dies war zur Absicherung gedacht. Aufgrund der tiefen Übernahmepreise der Positionen von der UBS-Bilanz hatte damals der Stabfund immer eine Chance einen bedeutenden Gewinn zu realisieren. Mir sind solche Mechanismen aktuell nicht bekannt. Ich hoffe es gibt sie auch aktuell, und dass sie noch kommuniziert werden. Meine Ansicht ist, dass in solchen Übungen die Steuerzahler für das Eingehen der Risiken auch entschädigt werden müssen. Dies wäre politisch auch geschickt. Ansonsten heisst es wieder: das Upside haben immer die Kapitalisten aber die Risiken und Kosten werden sozialisiert.

Ca. 50% des Schweizer Bankensystems stehen nun unter Staatsgarantie

Mit jeder Krise beobachten wir den Trend zu immer grösseren Banken. Dies ist einerseits die Folge der Regulierung. Nach der Finanzkrise haben wir Regulierungsexzesse beobachtet. Einige Regulierungsbemühungen waren nützlich, andere hatten kontraproduktive Effekte. Jeder der in einer der Grossbanken gearbeitet hat, war mit der zunehmenden Allmacht von Compliance konfrontiert. Genützt hat es nicht viel. Ich behaupte es war eher kontraproduktiv, da es  enterpreunerischen Spirit und gesunden Menschenverstand in diesen Bankenkulturen unterminiert hat. Wie vor der Finanzkrise haben wir nun in den letzten Jahren immer wieder „Unfälle“ beobachtet. In diesem Sinne ist die Rolle der Regulierung und das Wachstum von Compliance kritisch zu hinterfragen. Ein Bankensystem, das durch kleinere entrepreurisch geführte Banken mit persönlicher Haftung der Partner geprägt wäre, führte zu einem besseren Finanzsystem als wir aktuell haben. Anderseits zeigt es sich, dass dies eine Illusion ist. Die Konzentration in den Bankensystemen hat sich weiter verstärkt. In den USA haben wir eine Flucht von Kundengeldern von den Regionalbanken zu den Grossbanken gesehen. Mit der UBSCS hat man nun einen JP Morgan of Europe kreiert. Der Erfolg der Schweiz ist nun auch an den Erfolg dieser Bank geknüpft. In diesem Sinne verfügt sie nun eine implizite Staatsgarantie. Das wird politische Folgen auch auf die Entschädigungsmodelle innerhalb der UBS haben, da ein Teil der erwirtschafteten Gewinne rein auf die Staatsgarantie zurückzuführen sind. Zusammen mit den Kantonalbanken beträgt nun in der Schweiz der Marktanteil der Banken mit Staatsgarantie fast 50%. Ist dies nur eine Übergangslösung? Werden Teile der CS  auf andere Marktteilnehmer verkauft, so dass wir uns wieder zu einem ausbalancierterem Finanzsystem hinzubewegen oder ist dies der neue modus operandi?